Diskussion

Diskussion Insurrection Days in Berlin

Verfasst von: anonym. Verfasst am: 25.02.2012 (http://linksunten.indymedia.org/de/node/55480)

 Nachdem der Aufruf zu Insurrection Days in Berlin für einigen Zoff bei der Auslegung von aufständischen Perspektiven gesorgt hat, lohnt es sich zunächst mal über den eigenen Tellerrand zu schauen.

Bei aller Begeisterung, die in unserer Region für die Aufstände in den arabischen Ländern und der Revolte letztes Jahr in England gezeigt wird, tritt auch ein Widerspruch auf, der nicht unproblematisch ist. Die Frage mit wem überhaupt Revolten möglich sind oder mit welche Schichten der Gesellschaft antiautoritäre und emanzipative Gruppen in Kontakt treten sollten um in sich verschärfenden Konflikten gemeinsam Handlungsfähig werden zu können, wird meistens nach dem Ausschlußprinzip verfahren. Das heißt, es ist klarer mit welchen Leuten keine Annäherung erwünscht ist, weil ihnen der emanzipatorische Charakter bei Wutausbrüchen in aufständischen Situationen abgesprochen wird.

Deshalb nochmal ein Blick zurück in den August nach England. In der „Alhambra“ aus Oldenburg, Ausgabe Januar/Februar 2012, findet sich ein Interview mit Aktivisten aus London.

Diese analysieren das Zustandekommen der Revolte so:

„Es gibt eine Unterklassen-Jugend, die verschiedenartige Formen struktureller Gewalt erlitten hat: endemische [d.h. auf bestimmte Regionen begrenzte; Anm. d. U.] Armut

in Nachbarschaft und Familie in einer der oberflächlichsten und am meisten durchkommerzialisierten Konsumgesellschaften, die es gibt, in der der Einzelne fortwährend mit künstlichen Sehnsüchten aus Werbung und PR bombardiert wird“

Diese Jugend findet sich in Berlin auch, wenn auch nicht in der gleichen Anzahl. Allerdings ist die Gesellschaft bei uns auch extrem überaltert; es gibt einfach weniger junge als alte Menschen.

„Stadtviertel voller sozialer Probleme, Kriminalitat und gewalttatiger Gangs, als Folge endemischer Armut, Arbeitslosigkeit und politisch-okonomischer Verwahrlosung“

Die gibt es auch in Berlin. Bei der Bekämpfung sogenannter Kriminalität sind Polizei und Justiz jedoch viel erfolgreicher. Die im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien sind hin und her gerissen zwischem dem Wunsch die Innenstadtbezirke vollkommen von unerwünschten Personen zu säubern und dem Wissen, dass genau damit schwer zu berwachende Randbezirke entstehen würden.

„Stadtviertel mit veralteter, zerfallender und unterfinanzierter öffentlicher Infrastruktur; ein Abwürgen des öffentlichen Dienstes durch Sparmassnahmen sowie Kürzung

der Sozialleistungen, was eine direkte Auswirkung auf die beteiligten Jugendlichen und ihre Familien hat: Schliessung von Jugendzentren, Seniorenheimen und aller Arten von

sozialen Wohlfahrtseinrichtungen“

Kommt in Berlin nur in Ansätzen vor. Der Staat achtet darauf überall sichtbar zu sein und sei es als Tarnorganisation wie das Quartiersmanagment. Kürzungen werden viel dosierter vorgenommen.

„endemische Arbeitslosigkeit ohne Jobaussichten, ausgenommen wenige prekäre, unterbezahlte, unbefriedigende Jobs, die keine Verbesserungsmöglichkeit

darstellen und Arbeiterinnen ihrer Rechte berauben“

Trifft auf manche Menschen in Berlin zu, insgesamt haben aber viele das Gefühl von der boomenden Wirtschaft profitieren zu können.

„Workfare-Strategien gegen die Arbeitslosen, nach denen arbeitslose Jugendliche effektiv ohne Lohn arbeiten müssen, um ihre magere Jobsucher-Unterstützung zu sichern. Nicht selten arbeiten sie sklavenähnlich, verrichten niedere Hilfsarbeiten für Filialen ausbeuterischer Konzerne“

Gibt es in Berlin auch, wird jedoch von den meisten nicht als problematisch empfunden, jedenfalls regt sich kaum Protest.

„keine Aussichten auf wie auch immer geartete soziale Mobilität: Diese Kids konnen es sich nicht einmal mehr leisten, unterfinanzierte zweitklassige Colleges zu besuchen, weil die EMA [Education Maintenance Allowance, eine Art BafoG; Anm. d. U.] gestrichen wurde. Diese Kids wissen, dass sie keine Chance haben, zur Uni zu gehen,

weil damit massive Studiengebühren und Darlehensschulden verbunden waren. Die Studiengebühren wurden unlängst auf durchschnittlich 9 000 Pfund pro Jahr verdreifacht. Sie wissen, dass sie beinahe keine Chance haben, ein Einkommen zu erzielen, das einen Besuch dieser Unis ermöglicht“

Liegt in Berlin so nicht vor.

 „ständige Schikanen durch die Polizei, respektloses Verhalten, willkürliche Strassenkontrollen, die auf einem Profilling nach Rasse und Klasse basieren und ständige Rassen- und Klassendiskriminierung durch die weissen Mittel- und Oberschichten“

  Liegt in Berlin eindeutig vor. Der Widerstand dagegen findet aber nur sehr individuel und wenig koordiniert mit linksradikalen Strukturen statt.

„Darüber hinaus sind diese Kids alles andere als dumm und uninformiert: Sie haben ein sehr klares politisches und ökonomisches Bewusstsein darüber, dass sie durch die herrschenden Klassen komplett verraten, verkauft, entrechtet und unterdrückt werden, und zwar aufgrund eines wirtschaftlichen und sozialen Kollaps, den die herrschenden

Klassen selbst zu verantworten haben. Diese Kids sind sehr sicher im Umgang mit den neuen sozialen und alternativen Medien und wissen daher weitgehend

um die betrügerischen Hintergründe der ökonomischen Kernschmelze. Sie wissen, dass die Wirtschaft wegen der Banken und Reichen absäuft. Sie wissen auch, dass sie am Ende bei allen Sozialkurzungen den Kürzesten ziehen. Viele von diesen Kids waren auch schon im Januar 2011 gegen die Kürzungen der britischen Studienforderung und

die Erhöhung von Studiengebühren auf der Strase. Dort ist die Polizei ihnen fortwährend mit Einschüchterung, Kesseln, Schlagstock-Einsätzen, Manipulation [der Berichterstattung; Anm. d. U.] begegnet.

Sie sind sich der Korruption der politischen Klassen voll bewusst. Sie sind sich der Verdrehungen, Lügen und Verzerrungen der Medien, die sie bereits wahrend der Studierenden-

Proteste erlebt haben, bewusst. Sie sind sich des Zynismus, der erbärmlichen Gleichgültigkeit, der Nabelschau und des Desinteresses der Ober- und Mittelschichten voll bewusst,

sowie der Verachtung und Vorurteile, welche diese Schichten auf sie projezieren.

 Und dann, zu allem Überfluss, erschiesst die Polizei einen der ihren unter sehr fragwürdigen Umständen“

 

Die betroffenen Jugendlichen in Berlin wirken auf den ersten Blick wesentlich uninteressierter an den Umständen, die ihren Alltag kontrollieren und bestimmen. Es gibt aber auch sehr wenig Kontakt zu ihnen. Wenn wir das unzureichende Wort „Zielgruppe“ für diesen Personenkreis wählen, der von den Genossen aus England als Träger der Revolte ausgemacht wird, dann handelt es sich um genau die gleichen Menschen, gegen die in unserer Szene Vorbehalte existieren. In der aktuellen Debatte um Insurrection werden sie oft als jene identifiziert, mit denen sich viele nicht vorstellen können gemeinsam auf der Straße aktiv zu werden.

Es gibt also drei Punkte, die einer ähnlichen Zuspitzung wie in England entgegen stehen;

Die demographische Situation mit einer Überalterung der Gesellschaft, die schlauere Praxis der Behörden, die eine enorme präventive Wirkung entfaltet und die Distanz zwischen uns und allen anderen potentiellen TrägerInnen einer Revolte.

Lediglich der letzte Punkt kann von uns kurzfristig verändert werden und darauf sollten wir uns auch konzentrieren. Ein Aufstand oder wie auch immer wir es nennen wollen, richtet sich nicht danach mit wem wir nicht gemeinsam kämpfen wollen. Er steht irgendwann vor der Tür wenn die Zeit reif ist und fährt vorbei wenn wir zögern aufzuspringen. Die Zeit wird eher reif sein, wenn wir den Finger in die Wunden eines nur scheinbar perfekten Systems legen. Je weniger wir bereit sind Koalitionen mit anderen einzugehen, um so weniger emanzipativ wird ein Aufstand insgesamt sein.

Darum sollte der Diskurs um die Insurrection Days schnell von der Wortklauberei wegkommen und sich mehr auf potentielle Bündnispartner konzentrieren. Denn 0,0001% der Berliner machen keine Revolte sondern lediglich die Kleingruppenaktionen, mit denen sich die Behörden seit Jahren abfinden müssen.

 

Über die Kritik an den Insurrection Days

http://linksunten.indymedia.org/de/node/55100

Verfasst von: (…..). Verfasst am: 19.02.2012

Überraschend viel Energie wird derzeit in Kritik an den insurrection days gesteckt. Was eigentlich als positives Zeichen gewertet werden könnte, nämlich Interesse für ein Projekt aus antiautoritären Zusammenhängen, wirft dann doch den üblen Schatten eines polemischen Gedisse auf unsere nicht grade expandierende Bewegung.

In der Tat sind die AufruferInnen der insurrection days nicht mit dem perfekten Rezept zur Vertiefung sozialer Spannungen zwischen Herrschern und Beherrschten aufgeschlagen. Ihr Aufruf konnte eigentlich nur als erweiterungsbedürftig verstanden werden und eine Einladung zu eigener Beteiligung sein.

So berechtigt einzelne Kritikpunkte sein mögen, stellt sich aber die Frage warum soviel Aufwand für das Verhindern der insurrection days betrieben wird?

Selbst wenn Ende April in Berlin nichts weiter entstehen würde als ein paar neue Kontakte, einige Steinwürfe und Autobrände, wäre das tatsächlich so schlimm, das es im Vorfeld so niedergemacht werden muss?

Als Beispiel soll der Text „ID – oh je…“ aus der Interim 736 erwähnt sein. Ein „autonomer Zusammenhang aus Berlin“ zeigt sich „irritiert“ über den Aufruf, den sie „fad“ finden weil er ihre Alltagspraxis mit dem Begriff des Aufstands „aufhübschen“ würde. Sie haben sich über „das Angepisse in dem Aufruf geärgert“, wie angeblich auch andere Gruppen.

In der gleichen Interim ist auch ein Text der „Anarchistische Gruppe Süd Ost“ platziert, der ebenfalls die Verwendung des Begriffs Aufstand bzw. Insurrection kritisiert. An diesem Wort hängt sich der Großteil der Kritiken auf.

Für uns erscheint es wichtiger was tatsächlich in den Tagen Ende April passiert und ob es dabei gelingt den kleinen Kreis der eigenen Szene in irgendeiner Form zu verlassen, die Bezeichnung dafür sollte eher zweitrangig sein. Denn warum regen sich die KritikerInnen nicht an der Bezeichnung der Demonstration zum 1.Mai als „revolutionär“ auf? Diese Demo ist in keiner Weise revolutionär, weil eine der sie tragenden Gruppen enge Kontakte zu Parteien unterhält, sogar diese Demo schon mal von einem Parteimitglied angemeldet wurde und auch Parteien auf der Demo vertreten sind.

Die letzten die noch revolutionärer waren als der heutige Vorbereitungskreis, war die RIM, die zum Glück inzwischen mit ihrer 13 Uhr Demo verschwunden ist. Der damalige Streit in den 90er Jahren um die revolutionäre Ausrichtung der 1.Mai Demonstration könnte eigentlich eine Lehre sein für jene, die heute alles schlecht reden, was nicht auf ihrem eigenen Mist gewachsen ist. Denn auch die Abspaltung der „echten Kommunisten“ von der „Antifa Demo“ hatte genauso wenig mit der Bedeutung von Revolution zu tun wie jetzt der Diskurs um Insurrection; es ging lediglich um eine Vormachtstellung in einem Mikrokosmos.

Ein echtes Bedürfnis an der Vorbereitung aufständischer Situationen scheint es nicht zu geben, zumindest die Beteiligung an der Berliner AVV oder irgendwelchen anderen Projekten lässt kein Interesse an einer Zusammenarbeit erkennen. Obwohl es eine Flut von Texten zum Thema Aufstand gibt kommt kein echter Austausch zu Stande. Viele gehen nicht zur AVV weil sie sich durch eine Person diskreditiert hat, manche lehnen jede Zusammenarbeit mit einem Teil der Szene ab und schreiben lieber Polemiken. Auch durch eine inzwischen rigide Nicht-Veröffentlichungs Praxis bestimmter Texte durch die Interim wird es nicht leichter sich inhaltlich weiter zu entwickeln.

Das große Manko autonomer Mobilisierungen, nämlich meistens nur auf Ereignisse zu reagieren statt zu agieren, könnte mit den insurrection days überwunden werden. Wem das nicht gefällt weil es unter einem „falschen Titel“ läuft, mag zu Hause bleiben. Es wird nicht die Versuche stoppen den Szenesumpf zu verlassen und soll auch niemanden abhalten dem Weg der RIM in den totalen Dissens zu folgen.

8 Antworten zu Diskussion

  1. Teile der Gruppe sagt:

    Gedanken zur Diskussion um die Insurrection Days

    Marginalisierte Jugendliche und prekarisiertes Leben + ein Toter/ eine Tote getötet vom Repressionsapparat, der seine diskriminierenden Motive zu verschleiern sucht = Aufstand?

    Eine mathematische Formel, die sich in der Geschichte bewährt zu haben scheint. Doch es handelt sich hier nicht um ein einfaches 1+1=2, sondern um eine komplizierte Textaufgabe, bei der das Kleingedruckte gelesen werden muss.

    Wer in Deutschland darauf wartet, dass diese Formel ihre Wirkung entfaltet, der/die wartet vergebens. Denn Tote gab es bereits genug. Sie kamen aus verschiedenen marginalisierten Gruppen und Schichten, manchmal hat ihr soziales Umfeld mit Wut reagiert und manchmal ist es stumm geblieben. Es gab und gibt Unterstützung und Ansätze zur gemeinsamen Organisation zwischen verschiedenen betroffenen und nicht betroffenen Gruppen. Die Umstände waren da (es gibt hier sogar Jugendarbeitslosigkeit!), allein ein Aufstand blieb bisher aus.

    Gleichzeitig geht die ganze Scheiße immer weiter. Einerseits befinden sich immer mehr Menschen in einer verzweifelten Lebenslage, andererseits scheint es dem fetten Nashorn Deutschland verdammt gut zu gehen. Während gewartet wird auf den richtigen Moment, weisen gesellschaftliche Diskurse den Weg nicht hin zu einer emanzipatorischen sozialen Revolte, sondern zur Verfestigung der herrschenden Normalität bis hin zur Salonfähigkeit sozialdarwinistischer Vorstellungen und der Tolerierung neofaschistischer Ideen. Moral wird delegiert an einige Wenige, die den Banken ins Gewissen reden möchten und rassistischer Gewalt begegnen, indem sie um ein bisschen mehr Toleranz bitten. Im Zuge der Extremismusdebatte wird gleichzeitig alles kriminalisiert, was der Gesamtscheiße im emanzipatorischen Sinne an den Kragen will.

    Es geht also um eine sehr komplexe Textaufgabe. Werden einzelne Faktoren nicht berücksichtigt, kommt bei der Berechnung der aktuellen Lage Blödsinn heraus. Gleichzeitig kann mensch nicht alles auf einmal denken und muss letztendlich irgendwo konkret ansetzen. Das sollte allerdings nicht davon abhalten, das große Ganze im Blick zu behalten und darauf zu verweisen, sich mit der Realität wie sie uns erscheint immer wieder rückzukoppeln.

    Zu versuchen alles mitzudenken heißt nicht gleichzeitig, sich aus der eigenen Subjektivität lösen zu können. Es ist nicht möglich, die eigene Subkultur (und derer gibt es viele, die der Autonomen ist nur eine unter tausenden) hinter sich zu lassen um sich mit einer imaginären Masse von Leuten im Aufstand zu vereinen. Es wird immer aus der eigenen Position heraus gehandelt. Wenn wir etwas zu einer möglichen Revolte beitragen wollen (und dieses „wir“ ist in diesem Fall ein autonomes, anarchistisches, linksradikales, emanzipatorisches etc.), müssen wir bei uns selbst ansetzen und uns selbst bewegen.

    Wenn wir einen Aufstand wollen, dann müssen wir etwas tun. Etwas zu tun erschöpft sich nicht darin, andere Menschen per Plakat (am besten noch im Szene-Chick und in Szene-Sprache) dazu aufzurufen, eine soziale Revolte loszutreten. Da müssen wir schon selbst ran. Doch wie nur? Ganz ehrlich, uns fällt keine einfache Antwort ein. Wahrscheinlich sind wir ziemlich schlecht in Mathe. Doch das ist kein Grund, die Hände in den Schoß zu legen, vielmehr ein Grund, um zu experimentieren.

    Es mag ein bisschen weit hergeholt erscheinen, Tage des Aufstands auszurufen und zu hoffen, dass sich innerhalb dieser Tage etwas entwickelt. Doch dass sie vermutlich nicht eine breite Revolte entfachen werden heißt nicht, dass sie zu nichts führen: Die Insurrection Days bieten sowohl einen gedanklichen wie einen konkreten Ort um sich zu treffen, sich aufeinander zu beziehen, um Bande enger zu knüpfen. Eine soziale Wirklichkeit zu flechten unter selbstgewählten Vorzeichen, die Respekt im Umgang miteinander propagieren, diskriminierendes Verhalten ablehnen und dieses konsequent bekämpfen. Einen Ort um die herrschenden Verhältnisse zu bekämpfen, sei es ihre Erscheinung im Gewand des kapitalistisch orientierten Staates oder in unserem eigenen durch entsprechende Sozialisation geprägten Verhalten.

    Es tut gut, mit Vielen zu kämpfen und an einem Diskurs mitzuflechten, der letztendlich die Welt genau wie alle Diskurse mitprägt. Und es ist wichtig, diesen Diskurs des „diese Scheiße muss enden und es muss ein Anderes geben“ im emanzipatorischen Sinne zu prägen und immer wieder auf’s Neue für sich zu beanspruchen, denn neofaschistische Kreise schlafen nicht und machen sich das Potential der Ablehnung gegenüber den Verhältnissen zu Nutze. Von staatlicher Seite ist es ebenfalls leichter, eine Revolte zu entpolitisieren und zu kriminalisieren, wenn es keine starke emanzipatorische Bewegung gibt, die es schafft ihre Inhalte in den gesellschaftlichen Diskurs einzubringen.

    Ein Aufstand hat Stärke und Gewicht, wenn er dem Bestehenden etwas entgegensetzt, was nicht verschwindet, sobald die Barrikaden heruntergebrannt sind. Wir wünschen uns einen Aufstand an jedem Ort und zu jeder Zeit, doch herbeireden können wir ihn nicht. Wir können aber an unserem sozialen Netz weiter knüpfen, versuchen es reißfest zu machen, und durch die Propaganda der Tat am Diskurs mitwirken in einer Sprache, die über die Subkulturen hinweg verstanden werden kann.

    Sicher gibt es an dem Konzept viel zu kritisieren. Eine ernstzunehmende Frage ist, ob kaputte Scheiben an Niederlassungen einiger prominenter Vertreter_innen des Schweinesystems nicht eher (getragen durch die Darstellung in den dominanten Medien) eine Stärkung von Staat und regierungsbejaenden Meinungen zur Folge haben, statt den Diskurs in die gewünschte Richtung zu lenken. Auf die Frage gibt es momentan keine befriedigende Antwort. Und somit bleibt uns nichts anderes übrig, als an dieser kniffeligen Textaufgabe mit vielen Unbekannten weiter zu tüfteln und durch Versuch und Irrtum und Reflektion der Lösung vielleicht ein Stückchen näher zu kommen.

    In diesem Sinne: smash the system, wenigstens ein bisschen!
    Ob auf den Insurrection Days oder an jedem Ort und zu jeder Zeit.

  2. Ach SO (Anarchistische Gruppe Süd Ost) sagt:

    http://linksunten.indymedia.org/de/node/53567

    Von der Action zur Insurrection? – Einige Gedanken zu den „Tagen des Aufstands“

    Wir wollen uns mit diesem Text in die Diskussion um die Insurrection Days im April 2012 einmischen und unsere Kritik an der Art und weise des Aufrufs sowie der Verwendung des Begriffs „Aufstand bzw. Insurrection“ formulieren. Uns geht es nicht darum, der Vorbereitungsgruppe ihr Projekt auszureden oder schlecht zu machen, jedoch wollen wir den Aufruf dazu nicht so im Raum stehen lassen, und erhoffen uns einige theoretische und strategische Überlegungen in die runde werfen zu können welche wenigsten ein bisschen was gegen die allgegenwärtige Verwirrung bewirken könnten. Es liegt uns jedoch fern hier irgendwelche absolute Wahrheiten präsentieren zu wollen, denn diese gibt es nicht.

    Ein Aufstand mit Ankündigung

    Sehr erstaunt sind wir darüber, dass ihr „Tage des Aufstands“ als Motto für eure Aktionstage ausgesucht habt. Wo gerade der Begriff „Aufstand“ einer der wenigen ist, der in der jüngeren Geschichte der Anarchisten/Autonomen weltweit eine große Rolle in Diskussionen über Strategien gespielt hat und spielt und der seitdem immer auch verbunden war mit einer Kritik an herkömmlichen politischen/aktivistischen Konzepten. Mit der Kritik an einer Politik nach Plan, mit Ankündigung und Angebot, auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt und oft nur mit dem ziel der Quantität: viel gleich gut, wenig gleich schlecht. Zahlen sind die Sprache der Macht und einer Politik, die wir weit von uns weisen sollten, wenn wir nicht einer Illusion verfallen wollen.

    Die Verweigerung sich eben genau dieser Logik der Politik zu unterwerfen, ist ein wichtiger Bestandteil der Diskussionen zum Aufstand. Diese Logik steht im krassen Widerspruch zu dem was nach unsrer Auffassung nach einen aufständischen Moment ausmacht: Unberechenbarkeit, Spontanität, Affinität, Ungewissheit etc. Einen Moment in dem die herrschenden Beziehungen außer Kraft treten und einen Raum öffnen der von allen beteiligten durch ihr handeln mitgestaltet wird.

    All diese Momenten verbindet, dass sich die Menschen vorher weitgehendst nicht kennen oder zumindest wenig miteinander zu tun hatten und eben nicht im Mikroskops einer „Szene“ stattfinden. Aber auch, dass ihnen fast immer ein tragisches Ereignis voraus geht, welches das Fass zum überlaufen bringt. Im Maghreb z.B. die Selbstentzündung eines Gemüsehändlers, oder wie an vielen anderen orten die Ermordung von Menschen durch Bullen. Auch wenn diese Ereignisse welche die Situation explodieren lassen, nicht isoliert stattfinden und natürlich viel öfters vorkommen als es zu Aufständen kommt, spielen sie darin eine wichtige Rolle, die sich eben nicht von einem Aufruf der ein paar soziale Missstände anprangert ersetzen lässt. Ein Merkmal dabei ist in allen Fällen, dass die Opfer solch eines ausschlaggebenden Anlasses meist austauschbar sind, das heißt das sich viele Leute damit identifizieren können und es deshalb auch als Angriff auf sich selbst sehen. Dies hinterlässt ein Gefühl von unfassbarer Ungerechtigkeit, aber die Überzeugung genau an diesem Punkt das Schweigen brechen zu müssen kann auch unglaublich viel Mut zu kämpfen entstehen lassen. Wenn dies spontan bei vielen Leuten auftritt besteht die Chance eine Dynamik in Gange zu bringen, welche fähig ist die Energie einer kollektiven kraft frei zusetzen. Ob es dadurch zu einer Revolte oder aufständischen Situation kommt, hängt jedoch von vielen verschiedenen Faktoren ab. Dabei scheint es erst mal nicht sehr wichtig, ob die Konsequenz daraus das niederbrennen der Innenstadt ist oder ob die Leute zusammen einen platz besetzen. Es geht eher darum etwas gemeinsam zu machen, was so in diesem Kontext nicht stattfinden sollte und trotzdem passiert, mit der Voraussetzung das man sich nicht auf eine Art der Protestform festlegt. Schwierig für eine solche Dynamik wird es an dem Punkt, wo probiert wird programmatisch zu handeln und nicht bedingt aus der Situation heraus. Wie z.B. die ganzen europäischen Occupy-Bewegungen (im Gegensatz zu der Occupy-Bewegung z.B. in Oakland/USA) die beim versuch ein Konzept aus der arabischen Welt zu kopieren sich vorschnell einem völlig unüberlegtem ideologischen Pazifismus unterworfen haben und somit auch relativ schnell wieder in der Bedeutungslosigkeit verschwunden sind und ihre Flexibilität verloren haben.

    Worauf wir hinaus wollen ist, dass wenn wir von Aufstand als ein Ereignis sprechen, wir etwas meinen was nicht herbei gezwungen, geschweige denn geplant und angekündigt werden kann. Aber auch, dass sich ein aufständischer Moment nicht durch zahlen definieren lässt. 500 brennende Autos in Berlin über ein Jahr verteilt ist eben nicht dasselbe wie wenn in einem Pariser Banlieus 500 Autos als Reaktion auf einen Mord in flammen aufgehen.

    Vielmehr denken wir ist ein Aufstand ein Verhältnis, dass aus einer Situation entsteht, und die herrschenden Beziehung durch die Art und weise des Handels in Frage stellt und angreift. Das wertvolle daran sind weniger die Statistiken danach, wie viele Bullenwachen niedergebrannt wurden, sondern die Erfahrung der beteiligten durch kollektives Kämpfen. Die Erfahrung, dass es möglich ist, Dinge die wie unveränderlich zu sein scheinen auf den Kopf zu stellen und jegliche Normalität unbedeutend werden zu lassen. Denn dies verändert Menschen und diese Erfahrung kann ihnen niemand mehr nehmen.

    Wenn wir vom sozialen Aufstand oder Revolte sprechen tun wir dies, weil wir die Methoden die darin zum Zuge kommen; die informelle Organisierung aufbauend auf der Affinität zueinander, die direkte Aktion, die Kommunikation auf Augenhöhe, die Ablehnung von Autoritäten und das verlassen von politischen Milieus als die geeignetsten Mittel für ein anarchistisches Projekt halten. Weil ein Aufstand notwendig, und eben nicht, wie ein militärischer Feldzug für die Revolution zu organisieren ist.

    Und Nein, wir können und wollen nicht darüber entscheiden was den nun ein Aufstand ist, sehr wohl können wir aber differenzieren zwischen aufständischen, subversivem handeln und der Reproduktion von Politikformen, die der Logik der herrschenden folgt. Das sich dies durchaus auch vermischen kann ist uns bewusst, und wir wollen euch nicht vorwerfen in dieser Absicht zu den „Insurrectiondays“ aufzurufen.
    Aber durch das fehlen einer Erklärung was eure Motivation ist von den „Tagen des Aufstands“ zu sprechen, bzw. was ihr darunter versteht und was Aktionstage einer autonomen Szene damit zu tun haben, liegt die Vermutung nahe, dass ihr den begriff etwas unüberlegt ausgesucht habt, vielleicht weil es gerade im Trend zu sein scheint ?

    Über Actiondays und ihren Nutzen

    Wir denken dass wir mit Konzepten wie den Actiondays oder auch Events immer wieder dieser Oben genannten Logik verfallen. Durch das aufrufen zu Aktionstagen ist es immer zu einer beachtlichen Anzahl nächtlicher direkter Aktionen gekommen die in der Öffentlichkeit durchaus auch wahrgenommen wurden. Jedoch wurde es nie geschafft über den Tellerrand der „Szene“ hinaus zu mobilisieren, und bis auf wenige ausnahmen wie. z.B. Tempelhof-Besetzung und Piratenradio, gab es kaum Bemühungen eine Kommunikation welche die Leute erreicht entstehen zu lassen. Das führt dazu das Insider die jeden Tag im Internet den Ticker „checken“ das Gefühl haben die ganze Stadt wäre in Aufruhr, während „OttonormalbürgerIn“ außer die spektakulären Bilder in den Tageszeitung kaum etwas davon mitbekommen haben, und so keine Nachhaltigkeit entstehen konnte.

    Zu glauben das allein die Häufung von Aktionen die von Kleingruppen ausgeführt werden, ein Zeichen von Stärke ist, oder gar die Vorstufe eines Aufstands ist jedoch ein großer Irrtum, aber leider typisch für eine Bewegung, welche sich zu gerne auf das Aktionistische beschränkt. Das ihr im Bezug auf dieses Konzept im Aufruf nicht einen Gedanken dazu verliert, können wir nicht ganz nachvollziehen, wenn ihr euch eigentlich soviel auf die Fahne schreibt, von Aufstand redet und über das Nichtstun der Breiten Masse klagt.

    Zumindest wird nicht ersichtlich wen ihr damit erreichen wollt und wie Aktionstage dazu beitragen sollten die angeprangerte Resignation zu durchbrechen. Oder soll dies gar nicht das Ziel sein? Dann wäre es vielleicht eine Überlegung wert gewesen diese nicht anzukündigen, wenn denn schon die Bullenpräsenz am ersten Mai als Grund für die Aktionstage im Vorfeld aufgeführt wird.

    Wir gegen den Rest der Welt?

    Beim durchlesen des Aufrufs mussten wir dann doch mehrmals schwer schlucken, um bei soviel Widersprüchen und moralischem Fingerzeig auf die „anderen“ nicht vom Hocker zu fallen. Natürlich, wer schweigt stimmt zu, und im Kapitalismus gibt es nicht nur gut und böse. Und das alle ihren Teil zum funktionieren des System beisteuern, da gehen wir auch noch mit. Dass ihr bei sooooviel Reflexion die Frechheit besitzt euch davon auszunehmen und die Bruchlinie zwischen denen die zur Lohnarbeit gezwungen sind und Erwerbslose zieht, hinterlässt bei uns jedoch nur noch Fragezeichen. Ebenso heißt widerstand zu leisten nicht automatisch, dass dieser das Bestehende auch tatsächlich in Frage stellt oder angreift.

    Ihr habt zwar Recht, dass Obrigkeitsdenken in Deutschland erschreckend weit verbreitet ist, die Folgerung daraus dass es keinen Widerstand gibt und gab zeugt jedoch von sehr viel Ignoranz der Geschichte gegenüber. Dass es zu den „social engineering“-Strategien eines jeden Staates gehört, Widerstand in Vergessenheit geraten zu lassen oder zu spalten, sollten wir uns alle immer wieder ins Gedächtnis rufen. Denn Widerstand existierte und existiert: die Räterepubliken , die Massenstreiks in den Kohlegruben mit 80.000 bewaffneten Arbeiter_innen/1920 Ruhraufstand, 1921 Märzkämpfe in Mitteldeutschland, ind den 40er die Edelweißpiraten, Georg Elsers Attentat auf Hitler, den Widerstand insgesamt gegen den Faschismus,die Bewegung gegen die Widerbewaffnung in den 50er, Antiatomwaffenbewegung der 60er, Antikriegsbewegung Vietnam, die Frauenbewegung, die Autonomen in den 80er, die bewaffneten Gruppen, der Widerstand in der ehemaligen DDR etc.. Die Menschen hier waren/sind nicht alle dumm und faschistoid, und bürgerliche Verhaltensweisen finden sich überall. Den Menschen von Grund auf widerständiges Handeln abzusprechen, macht einen Kampf gegen die Zustände zu einem sinnlos-avantgardistischen oder auch idenditären Unterfangen. Wenn ihr dann im selben Atemzug gleich noch alle verteufelt die sich an Protesten beteiligen oder Gewerkschaftsmitglieder sind, dann fällt es uns schwer eure anliegen ernst zu nehmen. Klar ist die jahrelange Sozialpartnerschaft der Gewerkschaften kein revolutionäres Projekt. Doch gibt es durchaus noch Unterschiede zwischen Basis und Chefetage, und wenn wir uns unsere Bemühungen in solchen Kreisen eine Kritik daran zu üben und anarchistische Ideen zu verbreiten vor Augen halten, überrascht es auch kaum, dass sich die ArbeiterInnen nicht von heute auf Morgen in autonomen Komitees organisieren.

    Auch sollten wir bedenken, dass es in Zeiten der totalen Individualisierung und Vereinzelung bei gleichzeitiger Kontrolle aller Lebensbereiche nicht so einfach ist gemeinsame Widerstandsformen zu finden.

    Weiter schreibt ihr „…Für viele Menschen ist es schwer einen Anschluss zu finden…“, und wir fragen uns, wer von diesen vielen dann noch übrig bleibt. Die Bevölkerung? die Masse? die Jugend? oder sind es doch nur die alten Bekannten der nächtlichen Aktion? so erscheint es uns, wenn ihr von „…wenigstens erst einmal für ein paar Tage ein Klima der Unsicherheit und Verlustängste für die Staatliche und Gesellschaftliche Obrigkeit zu erzeugen…“ sprecht. Idenditäre Codes und Szeneghettos können bisweilen ebenso einen Anschluss erschweren.

    Genauso inkonsequent ist es mit Parolen wie „wir fordern nichts, wir wollen alles“ um sich zu werfen und das danach damit zu begründen, dass die Regierung von nicht mal einem Viertel der Bevölkerung gewählt wurde. Da fragen wir uns, ab wann denn für euch eine Regierung legitim wäre und wie dies mit den von euch formulierten Ansprüchen vereinbar ist?

    Last but not least. . .

    Wir finden es schade, dass ihr nicht mehr zu sagen habt als ein paar aneinander aufgereiht, wohlklingende und oft gehörte Parolen und den mehr schlecht als rechten Versuch die gesellschaftliche Situation zu analysieren.

    Das Begriffe aus jeglichem Kontext gerissen werden und als Aufmacher dafür herhalten müssen ist ziemlich dünn und wird nicht zu mehr Verständnis untereinander führen, was die Voraussetzung wäre um unseren Blick zu schärfen und gemeinsame Strategien zu finden. Wenn wir wirklich was ändern wollen, ist es eben auch notwendig unser Handeln immer wieder aufs neue zu überprüfen und hinterfragen, um es an die Situation anzupassen. Wir glauben das dieser Teil, zumindest von dem was wir daraus lesen können zu kurz gekommen ist, und hoffen das doch noch ein paar Dinge eurerseits verdeutlicht werden. Damit diese Tage nicht einfach ein weiteres mal Action von der „Szene“ für die „Szene“ in neuem Kleid werden, die nach kurzer Zeit wieder verpuffen.

    Wir haben jedenfalls Lust ähnlich wie im Rahmen der Carlo-Gedenkdemo eine interessante Debatte zu führen, welche etwas Klarheit über das warum, wofür und überhaupt schafft. Damit wir Möglichkeiten entwickeln und ausprobieren können welche die Fähigkeit besitzen über das politische Milieus hinaus unsere Ideen zu streuen, zu inspirieren und Verbündete ausfindig zu machen.

  3. http://linksunten.indymedia.org/de/node/52767
    Verfasst von: Insurectionalism ohne Copyright . Verfasst am: 02.01.2012 – 23:13.
    Insurrection Days

    Nach dem Aufruf zu den Insurrection Days (ID) und der Aufforderung diesen breit zu diskutieren, gab es schon einiges an Resonanz. Auch wir haben viel darüber diskutiert. Über den Aufruf, über die Kritiken die kamen, über den Sinn der ID an sich und auch über die Namensgebung. Was wir als größtes „Problem“ sehen, ist das aus dem Aufruf nicht so ganz hervorgeht, was das Ziel ist, bzw. was erreicht werden soll. Prinzipiell ist das strategische Ziel für uns schon einleuchtend, wir wissen allerdings nicht, ob sich das auch mit den Überlegungen der Aufrufverfasser_innen deckt. Deshalb legen wir einfach mal ein paar Überlegungen zum strategischen Konzept der ID dar.

    Im Aufruf wird gesagt, dass mit den ID eine Plattform geschaffen werden soll, auf der sich Menschen vernetzen können. Egal welches „Großevent“, da wo viele Menschen mit einem Ziel oder zumindest zu einem Thema zusammenkommen, findet immer ein Austausch statt. Gerade kleinere Gruppen aus kleinen Dörfern haben oft das Problem, Debatten nur im personell beschränkten Rahmen führen zu können. Dasselbe lässt sich jedoch auch in Berlin erkennen. Ein Austausch verschiedener politischer Gruppen zu einem Thema findet nur selten statt. Stattdessen gibt es viele Einzeldiskussionen die meist aber nicht in der „Szeneöffentlichkeit“ publik werden. Plattformen wie die ID können hier als Schnittpunkt dienen. Hier kommen viele Menschen zusammen an einen Ort und zu einem Thema, woraus sich automatisch Diskussionen und somit ein Austausch ergibt.

    Als zweites Ziel wird dazu aufgerufen: „…ein Klima der Unsicherheit und Verlustängste für die staatliche und gesellschaftliche Obrigkeit zu erzeugen, bzw. das Normengefüge von Staat und gesellschaftlichen Autoritäten zu erschüttern und somit das Gewaltmonopol in Frage [zu] stellen. …“

    Hochgesteckte Ziele könnte mensch jetzt spotten jedoch dient ein Aufruf erstmal zu nicht mehr als der Mobilisierung und dem Erklären von Zielen. Das heißt ja nicht, dass mensch denkt:“wir machen jetzt mal ID und dann kacken die da oben sich so richtig ein“.

    Wenn eine so marginale Bewegung (wenn wir das überhaupt so nennen können) wie in Deutschland einen Systemsturz herbeiführen möchte kann dieser sicher nicht in einer offenen Feldschlacht errungen werden. Das sollte allen klar sein. Was jedoch überhaupt nicht klar ist: wie können wir unsere Ziele erreichen? Dazu gibt es hunderte von Theorien und weit mehr Kritiken an diesen.

    Eine Zuspizung der Verhältnisse, die im Aufstand der Masse der Bevölkerung gegen die herrschende Regierung und, im Idealfall, der Selbstorganisation als „Gegenmodell“ gipfelt ist eine Möglichkeit.

    Die Gesellschaftsanalyse des ID-Aufrufs kommt zu dem Schluss, das die sozialen Verhältnisse hier in Deutschland bei weitem nicht so schlecht sind, dass sich ein Großteil der Bevölkerung ernsthaft gegen „die Obrigkeit“ auflehnt. Und gibt zu bedenken, dass viele als Ausweg aus der privaten Misere eher den sozialen Aufstieg innerhalb des Systems als eine Änderung dessen sehen. Dieser Analyse können wir uns nur anschließen (was nicht heißt, dass das zwangsweise das einzig Richtige ist). Mit dieser Erkentnis allein ist jedoch noch kein Blumentopf zu gewinnen denn eine Analyse des „Istzustandes“ ist nur die halbe Miete.

    Mindestens genauso wichtig ist, darauf aufbauend zu überlegen, was können wir nun machen um die bestehende Ordnung trotzdem aufzubrechen?

    Eine solche Mobilisierung führt (so zumindest der Plan denken wir) zu einer Konzentration von Aktionen gegen die herrschenden Verhältnisse, personalisiert in der Auswahl der jeweiligen Ziele.

    Somit kommt es zwangsweise zu einer größeren Aufmerksamkeit (ein brennendes Auto kann mensch vertuschen, hunderte brennende Autos dagegen fallen definitiv jedem_r auf) innerhalb der Restbevölkerung. Diese Aufmerksamkeit muss deshalb noch lange nicht mit Solidarisierung einher gehen, das ist uns klar (und macht uns traurig). Tatsache ist aber: Dass wenn wenigstens ein Teil der Aktionen auch vermittelt wird, eine breitere Öffentlichkeit für unsere Inhalte geschaffen werden kann. Hierfür ist es natürlich wichtig der Vermittlung unserer Aktionen eine große Aufmerksamkeit zu widmen.

    Im Idealfall können wir es sogar schaffen einen Druck zu erzeugen, der den Staat in Zugzwang versetzt, sodass Repression und „Rechtsbrüche“ für jede_n sichtbar werden und damit weiter Stimmung in der Bevölkerung gegen den Staat gemacht werden kann.

    Wenn wir das schaffen sollten, die Initiative zu erlangen, dann ist es natürlich wichtig, diese nicht mehr aus der Hand zu geben und nicht den Druck mit „Ende“ der ID wieder sinken zu lassen. Obwohl die ID ja klar sagen „Immer! Überall!“ kann hier ein strategisches Problem auftreten.

    Ein anderer Aspekt den wir sehen ist, dass es durchaus Wut und Verachtung für die herrschenden Verhältnisse in Teilen der Bevölkerung gibt. Diese Wut kommt jedoch nicht oder sehr unspezifisch zum Ausbruch und richtet sich wenn, dann meist nicht gegen sinvolle Ziele, sondern entlädt sich in blinder Gewalt. Wir glauben, dass es möglich ist, durch kontinuierliche Präsenz von angegriffenen Zielen in der öffentlichen Wahrnehmung, diese Gewalt zu kanalisieren und somit unseren Widerstand in die breite Masse zu tragen. Zusätzlich sollten Partizipationsangebote für bestehende alternative und auch bürgerliche, emanzipatorische Bewegungen geschaffen werden, um unsere Ziele breiter in den öffentlichen Diskurs einzubringen. Dadurch kann auch eine Solidarisierung seitens bürgerlicherer Arrangements mit militanter Praxis erreicht werden, wenn die Notwendigkeit dann in engerer Zusammenarbeit dargelegt werden kann und gleichzeitig die Monopolstellung des Staates in Sachen Gewaltanwendung aufgezeigt wird. So etwas setzt natürlich voraus, dass der Kontakt zu bürgerlichen Bewegungen wie Occupy oder Anti-HarzIV sowie auch in „prekarisierte Milieus“ (wie es die No Justice No Peace-Kampagne in Berlin vorgemacht hat) auch gesucht wird.

    Auch in der eigenen Szene können mit einem Projekt wie den ID positive Auswirkungen erreicht werden. Die Vernetzungsplattform ID wurde bereits angesprochen, doch auch darüber hinaus macht es Sinn. So dürfte eine breite Beteiligung an den ID ein Gefühl der Stärke vermitteln und einer autonomen Bewegung neues Selbstvertrauen geben.

    Berlin bietet für ein solches Projekt zum Einen gute Voraussetzungen, da in Berlin eine gute Infrastruktur mit vielen Projekten und Infoshops besteht, da die Szene in Berlin generell recht stark ist (verglichen mit anderen Gebieten in Dt.) und Repressionsstrukturen mit dem Polizeibericht auch für auswertige Menschen zumindest im Ansatz nachvollzogen werden können. Relativ großes Nachtleben und gutes Terrain (abgesehen von der Spree und daraus folgender Brückenabhängigkeit) gestatten eine akzeptable Bewegungsfreiheit im „urban nightlive“. Andererseits darf auch nicht vergessen werden, dass Berliner Bullen über sehr viel Erfahrung im Umgang mit direkten Aktionen verfügen und sie von knapp 1800 Beamten der Bundespolizei im Kampf für die Neustrukturierung der Stadt, und das damit einhergehende Verdrängen sozial Benachteiligter unterstützt werden.

    Berlin bietet zudem jede Menge Ziele. Viele große Unternehmen aus Rüstung, Atomindustrie Knastsystem und sonstwelcher Scheiße besitzen Werke oder Vertretungen in Berlin (Vattenfall, Siemens, SAP, Mercedes … um nur einige zu nennen). Auch an Banken, Jobcentern und Ministerien bietet Berlin eine große Auswahl. Dazu kommt, dass das Verbrennen von teuren Autos (wenn auch kontrovers diskutierbar) in Berlin als Form des Widerstands gegen Gentrification breite Annerkennung findet.

    Schön wäre es natürlich, wenn wir es schaffen könnten, die Stadt weitgehend lahm zu legen. Dafür wären GAS; WASSER/ABWASSER; STROM; VERKEHR; TELEKOMMUNIKATION die Ziele der Wahl um die Infrastruktur weitgehend auszuschalten.

    Wenn nun z.B. ein Generalstreik unterstützt werden sollte, wäre es taktisch sinnvoll für diesen Tag dafür zu sorgen, dass auch wirklich niemensch zur Arbeit kommt.

    Zuletzt bleibt uns noch auf den 1. Mai einzugehen. Da wir davon ausgehen, dass das Datum für die ID nicht zufällig bis zum 1.Mai gewählt ist, sehen wir hier eine Möglichkeit die festgefahrene Eventstrategie des 1. Mai in Berlin aufzubrechen. Viele Menschen haben nun Grund genug um ein paar Tage vorher schon nach Berlin zu kommen und sich mit Stadt und Bullen vertraut zu machen. Dies kann dazu beitragen den 1. Mai ein wenig zu dezentralisieren und dadurch die alljährlichen Massenfestnahmen eventuell zu verhindern. Das die Bullen jedes Jahr mehr Erfolge am 1. Mai aufweisen ist leider keine reine Propaganda. Sie wissen ja wann und wo es knallen soll und können sich ganz gemütlich darauf vorbereiten. Das ihnen bis jetzt immer noch „geholfen“ wurde, in dem zur Walpurgisnacht in den Kessel mobilisiert wurde um dann Besoffene Steine werfen und festnehmen zu lassen kann dieses Jahr vielleicht anders laufen. Auch für den 1.Mai selber sollte es vielleicht langsam an der Zeit sein von 18h Kotti weg zu kommen (meinen jetzt nicht das 19h Görlie besser ist). Denn wenn wir nur auf Masse setzen werden wir nur wenig Erfolg haben. Da uns die Bullen zahlenmäßig und Ausrüstungsmäßig überlegen sein werden haben wir ihnen als statische Demo nach ihren Regeln nicht viel entgegen zu setzen. Überraschung und Mobilität sollten unsere taktischen Vorteile sein. Das rituelle 36-Kiezzerlegen am Abend kann auch ruhig nach Zehlendorf auf den 2.Mai verlegt werden.

    Grundsätzlich bedeuten Insurrection Days aber nicht nur strafrechtlich relevante Akte zu begehen. Sowohl um in das Bewußtsein der Menschen einzubrechen als auch um den Motor der Stadt Berlin zum Kotzen zu bringen, gibt es viele Mittel, die nicht kriminalisierbar sind.

  4. tuli sagt:

    Nachdem ich den Text hier gelesen habe und auch eine Antwort geschrieben habe, hat das Thema noch einige Zeit in meinem Kopf vor sich hin gearbeitet.

    Ich bin zu folgendem Schluss gekommen: Eine Insurrektion, ein Aufstand lässt sich nicht verordnen oder an bestimmte Tage planen. Es widerspricht in eklatanter Weise der insurrektionalistischen Theorie: Es fehlt der Moment in dem das revoltierende Subjekt die Aktion ergreift.
    Kurzgesagt die Ankündigung von Insurrection Days ist ein Widerspruch in sich.

    Mindestens ebenso absurd ist es, dass für die „Insurrection“ Days auch schon ein Enddatum bekannt ist (1.5.), auch wenn darunter jederzeit//überall angemerkt wird, aber als reines Wunschdenken erscheint.

    Soweit so gut. Das heißt natürlich nicht, dass nicht Aktionen gemacht werden könnten, oder sich Leute zusammen finden eine Plattform für Aktionen zu bilden, aber dies wären eher „Action Days“. (Was nicht heißen soll, dass sich nicht auch eine Insurrection daraus entwickeln könnte.) Eine zeitliche Begrenzung ist jedoch immer problematisch, da das ganze dann einen Event Charakter bekommt. Einmal im Jahr austoben um den Alltag zu ertragen, aber kein wirklicher Widerstand.

  5. insurrectiondays sagt:

    Insurrection Days in Berlin
    http://linksunten.indymedia.org/de/node/51906
    13.12.2011

    Vor kurzem erschien ein Text auf de.indymedia.org der „Insurrection Days“ für Ende April in Berlin ankündigt. Die Reaktionen auf diesen Text waren verhalten, zu mehr als den üblichen Nonsens Ergänzungen sahen sich die LeserInnen nicht in der Lage. Das überrascht etwas, immerhin gibt es einen unterschwelligen Diskurs zu dem Begriff „Insurrection“, der in Teilen sogar den Wunsch nach Deutungshoheit über die richtige Verwendung dieser Bezeichnung vermuten lässt.

    Der Versuch den 1.Mai und die Tage davor aus den festgefahrenen Ritualen der letzten Jahre zu ziehen ist an sich schon begrüßenswert, ob das mit einer ideologisierten Version der mehrmals erfolgreichen „Action Days“ funktioniert hängt auch davon ab, wie gut die Perspektive des Aufstands vermittelt wird.
    Der Name „Insurrection Days“ erweckt die Hoffnung, das sich Menschen an Aktionen beteiligen, weil eine Veränderung des Status Quo unausweichlich scheint und das es zum Bestehenden mehr gibt als nur eine rationelle Ablehnung, nämlich Hass und Wut.

    Zu untersuchen wäre also dann: Gibt es Hass und Wut in Berlin auf die herrschende Ordnung und deren Repräsentanten?
    Sicherlich gibt es diese in den Kreisen der üblichen Verdächtigen in einem nicht unbedingt explosiven Ausmaß zu bestimmten Themen. Doch wie verhält es sich bei Belangen, die über den anarchistischen Mikrokosmos hinausgehen und deren Anschlussfähigkeit an andere Randgruppen oder Unterschichten nötig ist um den Unterschied zwischen punktuellem Randale Ereignis und aufständischem Klima zu signalisieren?

    Beispiel Mieten, Wohnungsmarkt und Verdrängung
    In Berlin wird täglich viel neuer Wohnraum gebaut. Doch seit Jahren ist in dieser Stadt nicht eine einzige Wohnung neu entstanden, die mit geringem Einkommen bezahlbar ist oder vom Jobcenter bezahlt wird. Die Verdrängung aus den Innenstadtbezirken ist ein allgemein anerkannter Zustand.
    Nun gab es vor etwa einem Jahr in der Interim Nr. 721 einen Text, der einen Aufruf zu einer Anti Tourismuskampagne enthielt. Egal wie man den Text findet, er hätte die Möglichkeit geboten sich diesem Thema weiter unkonventionell anzunähern.
    An Reaktionen wurde bekannt:
    Die britische Zeitung The Guardian griff die Drohung aus der Interim auf,
    http://www.guardian.co.uk/world/2011/jan/16/berlin-gentrification-yuppif
    http://www.guardian.co.uk/commentisfree/2011/may/09/berliners-angry-over

    Ein Artikel darüber im Tagesspiegel brachte es auf 131 Kommentare,
    http://www.tagesspiegel.de/berlin/chaoten-wollen-berlin-touristen-angrei

    Die ALB distanzierte sich via TAZ,
    http://www.taz.de/!63221/

    Eine Resonanz kam von jenen, gegen die sich der Aufruf richtete,
    http://www.berlinerumschau.com/news.php?id=3864&title=Autonome+wollen+Be
    http://fm4.orf.at/stories/1672334/

    Einen Anschlag gab es auch, https://directactionde.ucrony.net/node/1053

    Danach befassten sich Parteien mit der Angelegenheit um diese in geordnete Bahnen zu lenken und sogar noch Wählerstimmen abzugreifen, http://www.berliner-zeitung.de/archiv/die-kreuzberger-gruenen-wollen-ueb
    http://www.tagesspiegel.de/berlin/das-ist-nicht-mehr-unser-wrangelkiez/3

    Die Anschlussfähigkeit dieser Problematik wurde nicht zuletzt durch eine große aber jede Wut entbehrende Mietenstopp Demonstration im Herbst deutlich.
    Der Verzicht auf Forderungen im Aufruf zu den „Insurrection Days“ ist nicht unlogisch, aber wenn es im letzten Jahr nicht gelungen ist eines der zentralen Problemthemen in dieser Stadt radikal zu besetzen, wer soll sich dann im April mit uns gegen das Bestehende wenden. Die untergründig vorhandene Wut bricht selten aus den BerlinerInnen heraus, kurzfristig zur Liebig Räumung und auf der 1.Mai Demo, manchmal bei rassistischen Polizeikontrollen in Wedding oder Neukölln. Um dieser Wut eine Richtung zu zeigen, müsste eine Mobilisierung zu den „Insurrection Days“ das Internet verlassen und die Menschen dort abholen, wo sie mit der ganzen Arroganz des Systems konfrontiert werden.
    Sollte das nicht geschehen sondern wieder nur über die üblichen Kanäle die linksradikale Szene angesprochen werden, müsste eher von „Action Days“ gesprochen werden, zu denen wir uns dann vom 26.04.-01.05.2012 in Berlin treffen.

  6. tuli sagt:

    Prinzipiell sehe ich mich mit den Zielen dieser Tage in Übereinstimmung, gegen Herrschaft, ob sie nun in Form einer staatlichen Organisation oder als Wirtschaftsform auftritt.
    Der Aufruf selbst jedoch ist, wie schon im Kommentar bei indy zu lesen, gespickt von Plattitüden. Ihr sprecht soviele wichtige Punkte und brecht dann ab bevor ihr wirklich was sagt. Da könnte mensch entgegnen, es sei ja nur ein Aufruf und da müsse mensch nicht so ins Detail gehen. Aber ihr gebt ja nicht mal einen Ansatz davon, wie mit den angerissen Problemfeldern umgegangen werden soll. Ein Beispiel hierfür ist diese Stelle: „wirtschaftlichen Privilegien die bestehen, weil andere Teile der Welt in die Scheisse geritten wurden. Diese Verhältnisse werden seit langer Zeit mit aller Gewalt aufrechterhalten. “
    Hier reißt ihr das wichtige Feld der neo-kolonialen Verhältnisse an, und brecht dann einfach wieder ab! Ihr zieht einfach keine Schlussfolgerung daraus sondern geht nahtlos zum nächsten Thema über.
    Zur Webseite noch, ihr habt einen Punkt namens Texte, unter dem sich aber (noch) nichts finden lässt, das wirkt ein bisschen naja typisch… Aber ich will ja nicht nur kritisieren ohne konstruktiv mitzuwirken. Also schlage ich jetzt einfach ein paar alte Texte vor zu Themen, die noch immer wichtig sind, wir müssen ja nicht immer das Rad neu erfinden.
    Texte zum Thema Insurrektionalismus & Gewalt:
    Anarchismus und Gewalt von Errico Malatesta
    Some notes on insurrectionary anarchism
    Insurrection vs. Organizsation by Peter Gelderloos

    Wichtige Webseiten mit Texten:
    http://www.anarchismus.at/textsammlung
    http://theanarchistlibrary.org/
    http://zinelibrary.info/

    Für wirklich tiefgehende Gesellschaftsanalysen zahlt es sich dann auch schon mal aus ein Buch aufzuschlagen…
    Frei im Internet erhältlich:
    „Days of War – Nights of Love“ von CrimethInc
    „Der Einzige und sein Eigentum“ von Max Stirner
    „Anarchy Alive!“ von Uri Gordon
    Schon angegraut, aber warum eientlich nicht: Gott und der Staat von Bakunin

    So, das sind alles nur Vorschläge, aber ich wollte wenigstens versuchen etwas konstruktiv beizutragen. Ich hoffe die geplanten Tage, geben noch Anlass für viel Diskussion!

  7. Kritik? Aber gerne!

    20.11.2011 – 23:13

    Wo so freundlich nach Kritik gefragt wird, wollen wir nicht zögern. Das ist keine Kritik an wie auch immer aussehenden Aktionstagen, aber wohl eine Kritik an diesem Text, den es oben stehend zu lesen gibt.

    Fangen wir an mit dem Titel. „Insurrection days – Tage des Aufstands“ sollen es werden.
    Der Anschluß an die diversen Revolten der letzten Monate ist nicht zufällig. Was hier aber anders ist, ist, daß hier so etwas langfristig geplant werden soll. Ob das so gut geht? Oder wäre vielleicht doch ein Titel wie „Tage der Wut“ besser? Schließlich seid ihr, was den Aufstand betrifft, selbst nicht sooo optimistisch.

    „In vielen Ländern dieser Welt gehen Menschen für ihre Rechte und ihre Freiheit auf die Straße, um die bestehenden Verhältnisse zu stürzen.“
    Die Verhältnisse sind doch sehr unterschiedlich. Rechte – was ist das? Wo kommen die her, wer hat die geschaffen, und wie sehen die aus? Was verbindet die NATO-gestützte Revolte in Lybien mit den Student_innen-Protesten in Chile?

    „Die deutsche Realität ist geprägt von sozialer Ausgrenzung und Kürzung der lebenswichtigen Grundversorgung, bei gleichzeitiger Medienhetze gegen jeden sich hegenden Widerstand, der diese lebensfeindliche Unterdrückung durch Staat und Kapital kritisiert.“
    Dieser Satz ist echt witzig, obwohl so wahrscheinlich nicht gemeint. Den gleichen Instanzen, denen die „lebenswichtige Grundversorgung“ abverlangt wird, wird unmittelbar „lebensfeindliche Unterdrückung“ vorgeworfen. Was denn nun? Und seid ihr Euch wirklich sicher, daß ihr damit die „deutsche Realität“ beschreibt? Ich würde sie doch ziemlich anders beschreiben, wenn mensch mich fragte.

    „Verantwortlich sind auch all die Menschen, die dagegen keinen Widerstand leisten und täglich durch ihre ach so gesellschaftlich wertvolle (“Lohn”-) Arbeit den reibungslosen Ablauf der Verwaltungsmaschinerie möglich machen.“
    Der erste Teil dieses Satzes mag stehen bleiben können – wer zu schaut, stimmt zu, keine Frage. Was soll aber diese unmittelbare, blödsinnige Gleichsetzung mit Lohnarbeit? Auch Menschen, die Lohnarbeit machen, sind politisch aktiv, und auch Menschen, die nicht in Lohnarbeitsverhältnissen stecken, sind manchmal passiv und manchmal auch aktiv auf eine widerliche, nämlich faschistische Weise.

    „Wir können nicht sagen, warum hier kaum irgendwer “Stopp” schreit. Ob es daran liegt, dass es den Menschen hier noch nicht schlecht genug geht oder ob es sich einfach um eine traditionelle Unterwürfigkeit handelt, resultierend aus Jahrhunderten monarchistischer und anschließend faschistischer Herrschaft, die sich in die Hirne der Bevölkerung eingebrannt hat.“
    Ist Euch mal aufgefallen, daß es den meisten Menschen hier ziemlich gut geht, sie sich frei und zufrieden fühlen? Schon mal was von neokolonialen Ausbeutungsverhältnissen gehört? Falls nicht – bitte noch mal nachlesen! Die Hirne übrigens, in die sich die „faschistische Herrschaft eingebrannt“ hat, dürften nicht mehr die jüngsten sein, diejenigen mit Erfahrungen monarchistischer Herrschaft noch ein paar Jährchen älter.

    „Jedoch ist ein Großteil dieser Leute, weil Mitglieder der etablierten Parteien und Gewerkschaften, direkt verantwortlich für das was hier läuft. Außerdem ist diese Masse Mensch auch gar nicht gewillt, reale Veränderungen zu erkämpfen. Mensch beschwert sich und damit ist gut. Veränderungen würden ja den Verlust des eigenen gesellschaftlichen Status bedeuten und der vielen Privilegien, mit denen es sich einige verdammt bequem gemacht haben.“
    Der erste Teil des Satzes ist einfach nur Unfug. Reale Veränderungen zu erkämpfen – für wen? Für sich selbst oder für die Ausgebeuteten und Unterdrückten dieses Planeten? Und wer sind diese Menschen eigentlich, die so Scheiße sind: „ein Großteil“ oder doch nur „einige“? Habe ich das richtig verstanden: ihr wollt also die Menschen motivieren, „reale Veränderungen zu erkämpfen“, um dadurch selbst „viele Privilegien“ zu verlieren“? Fragend schreiten wir voran, oder wohin auch immer.

    „Es macht keinen Sinn, sich mit Forderungen an eine Regierung zu wenden. In einem politischen System, welches Macht in die Hände von Regierenden legt, die von nicht einmal einem Viertel der Bevölkerung gewählt wurden.“ Eine kleine Frage: Ab wann macht das Sinn? Ab 30, 40, 60 Prozent von Zustimmung zur Regierung wird diese von uns akzeptiert werden, und alle werden glücklich sein?

    „Vor Allem müssen wir dafür sorgen, dass das, was uns nicht passt, nicht mehr länger passiert!“
    Das passiert jeden Tag schon: Keine verurteilten Straftäter in unserer Straße, keine Junkies vor unserer Haustür, kein Graffiti an den Häusern, keine AsylbewerberInnen-Unterkünfte in unserer Stadt, keine (angeblichen) Dealer in unseren Parks. Meint ihr das?

    „Wir sind durchaus in der Lage unser Leben selbst zu bestimmen. Dies kann aber nur funktionieren, wenn der Wunsch des Regiert werdens und des Regierens zerstört, wenn der staatliche Unterdrückungsapparat zerschlagen, wenn die Regierung entmachtet und nicht zuletzt auch der Bulle im Kopf getötet wird und die eigenen Grenzen aufgebrochen werden. Dann ist es möglich, kapitalistische Wertelogik durch kollektive Selbstorganisation zu ersetzen. Ein Kampf gegen das System muss zur Alltäglichkeit und immer so anithierarchisch und solidarisch wie möglich geführt werden.“
    Bevor ich mich damit näher beschäftige, schaue ich lieber, ob ich doch noch irgendwo eine Nachtigall im Park finde, die das Ende des Sommers verpasst hat und mir mit ihrem Gesang die Nacht versüßt. An diesen Sätzen gäbe es so viel zu kritisieren, daß ich mich lieber kurz fasse und das mal in die Rubrik „Ansammlung von Plattitüden“ schiebe.

    ALSO: das ist KEIN Aufruf gegen Aktionstage im nächsten Jahr. Wie auch immer – aber doch bitte nicht so!

  8. Insurrection Days sagt:

    Hier könnt ihr eure Kommentare zum Aufruf und zu allem anderen auf dieser Seite posten!

    Here you can post your comments on the call and on the website in general!

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